Grossartig und nicht einzuordnen. Diese ganz persönliche Würdigung dieser Band am Anfang von 2020 kommt spät, hat aber auch heute noch ihre Berechtigung. Einige wenige werden den Namen kennen. Kaum einer kennt die Musik.
MX-80 Sound.
Die Triebfeder von MX-80 Sound ist der aus Bloomington, Indiana stammende Gitarrist Bruce Anderson. Vorher war er in einer Band, Mrs. Seaman's Sound Band, die zuerst Rock, dann Jazzrock spielte. Michael Brecker war damals Mitglied dieser Formation. Bruce Anderson erlernte das Gitarrenspiel bei Buddy Guy. Nach einer Derek-Bayley-Freejazz-Phase spielte er Country und in Tanzkapellen. Zum Beispiel spielte er auf der Hochzeit von Billy und Emily Harris, den späteren Entführern von Patty Hearst. Ab 1969 war er Mitglied der Screaming Gypsy Bandits. Es soll sogar eine Platte von ihnen geben. Die Screaming Gypsy Bandits spielten auf Festivals mit Leuten wie Captain Beefheart. Ferner spielten sie auch mit Crocus Behemoth, den wir heute als David Thomas kennen. So ab 1971 zog sich Bruce Anderson etwas ins Private zurück, machte aber wie besessen täglich weiter Musik. Mit dem zwei Jahre älteren Bassist Dale Sophiea bastelte er zu Hause an neuen Sounds und Techniken. Bloomington ist eine Schulstadt. Unter so vielen Schülern sind immer ein paar Verrückte, die sich von einem Typen wie Bruce Anderson überreden lassen, eine Band zu gründen. Nach einigem personellen Hin und Her schaukelte sich die Besetzung so ein: Sophiea am Baß, Anderson an der Gitarre, Rich Stim sang und spielte Saxophon, Dave Mahoney trommelte. Die beiden letzteren kannten sich aus der Gruppe Chinaboise. Der Name MX-80 Sound stammt von Andersons Bruder, einem Grafiker. Seine These: wenn die Buchstaben- und Zahlenkombination MX und 80 bei so vielen Motoren, Öl-Sorten und Elektrogeräten verwendet würde, dann wäre sie auch gut als Bandname. MX 80 Sound spielten in Bloomingtons Bars "nur einmal", wie Anderson sich erinnert. 1976 war es an der Zeit, eine EP mit sieben Songs aufzunehmen, BIG HITS. Die Songs passten in keine der damals gängigen Stilrichtungen. MX-80 Sound hatten ein Problem. So ging es Jahre zuvor der britischen Band Soft Machine. Ihre Musik wurde für sehr kompliziert und schwer verständlich gehalten. Sie interessierten sich für Formen, aber nicht für Techniken des Jazz. So spielte damals keiner. Bruce Anderson war der einzige wirkliche Musiker in der Gruppe, die anderen waren Dilettanten. Rich Stim glaubte lange Zeit, er singe so gute Jim Morrison. Ein paar Jahre später erkannte er, daß er doch eher krächzt und arbeitete an einer Singstimme. Nachdem BIG HITS im englischen Melody Maker gut besprochen worden war, nahm ein gewisser Howard Thompson die Gruppe für Island Records unter Vertrag. Labelchef Chris Blackwell, zu der Zeit gerade auf Urlaub, traf fast der Schlag, als er nach seiner Rückkehr die Bänder für HARD ATTACK hörte, MX-80s erste und letzte Platte für ein größeres Label. Es war 1977, Punk ging gerade ab, New Wave folgte, niemand wußte so recht, was sich verkaufte und was nicht. MX-80 Sound wurden mit Roxy Music, Beefheart oder Motörhead verglichen. Bronze Records schickte zwei Scouts nach Bloomington, weil sie dachten, sie hätten da einen futuristischen Metal-Act. Marty Thaus Red Star Label wollte sie als No Wave haben. Als MX-80 Sound Gruppe nach San Francisco umzog, hielt man sie für eine New Wave Band, bis die Szene sie ächtete, weil Anderson auf der Bühne Gitarrensoli spielte. Schweres Aufsehen erregten MX-80 Sound erst, als sie mit dem Residents-Label Ralph handelseinig wurden und eine ihrer überdrehten Cover-Versionen für Ralphs 79er Sampler SUBTERRANEAN MODERN beisteuerten. Das 80er Ralph-Debut hieß OUT OF THE TUNNEL und war MX-80 Sounds beste LP. Es folgte die erste und einzige US-Tournee. CROWND CONTROL aus dem Jahr 1981 fiel bereits wieder unter die Rubrik Mißverständnis. MX-80 Sound versuchten, kommerzieller zu werden, gingen in Richtung Hard Rock und gruben sich mit dieser Platte selbst das Grab. Der Vertrag mit Ralph wurde wegen Geldschwierigkeiten des Labels und anhaltendem Mißerfolg der Gruppe gelöst, nicht aber die Freundschaft, die sich in späterer Mitarbeit von Bruce Anderson auf Residents-LPs zeigte. Außerhalb San Franciscos schien es, als hätten sich MX-80 Sound aufgelöst, doch die Gruppe hatte sich eher vervielfältigt und nur das Wort "Sound" gestrichen. Zwar war Rich Stim ausgestiegen, um Jura zu studieren, aber die anderen machten als 0-Type, als Gizzards und als Half Life weiter, machten Cassetten und auch einmal eine CD oder Single. Bruce Anderson verfolgte daneben noch ein Solo-Ding als Brutality und gehört heute zu einer der diversen Henry-Kaiser-Bands.1985 kehrte Stim, inzwischen mit der genialen Angel Corpus Christi verheiratet, zu MX-80 zurück. 1987 folgte eine erste Cassette auf dem eigenen Quadruped-Label, 1990 die CD DAS LOVE BOAT mit einigen neuen Titeln und instrumentalen Best-of-Out-Takes aus dem MX-80-Gesamtwerk. Schlagzeuger Mahoney ist der einzige, der keine Musik mehr macht. Für ihn trommelt nun Marc Weinstein. 1995 erschien eine CD mit dem Titel I'VE SEEN ENOUGH. Rich Stim arbeitet als Anwalt, Bruce Anderson jobbt als Gitarrist und Designer von Batik-T-Shirts, die beiden anderen gehen ebenfalls geregelter Arbeit nach. Aber das war noch nicht das Ende. 1997 erschien ALWAYS LEAVE 'EM WANTING LESS. Danach 2002 eine Live CD betitelt LIVE AT THE LIBRARY. 2005 veröffentlicht MX-80 die Scheibe WE’RE AN AMERICAN BAND, eine starkes und verstörende Veröffentlichung. Zwischenzeitlich erlangte MX-80 Sound auch rechtlich den Zusatz Sound zurück und konnte sich jetzt auch offiziell wieder MX-80 Sound nennen. 2005 verstirbt Drummer Dave Mahoney unerwartet. Lange war es still um die Band bis auf ein paar kleine Einzelprojekte. Aber 2014 taten sich alle plus dem neue Drummer Nico Sophiea (Sohn von Bassist und Mitbegründer Dale Sophiea) zusammen und veröffentlichten die CD SO FUNNY.
Das Schlußwort gehört Bruce Anderson: "Ich habe MX-80 Sound immer als Lebensstil betrachtet, nie als Karriere."